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Silberfunken - Gildins Reise ins neue Leben - Wenn etwas dazwischen funkt

Teil 6


Die Silberfunken nehmen euch Schritt für Schritt auf Gildins Weg ins Leben mit – und damit laden wir euch auch ein, mit uns über Stolpersteine und durch Gräben zu wandern, die sich auf unserer Reise finden. Was uns nicht erspart bleibt, ersparen wir euch hier auch nicht.


Was uns dazwischen funkt, ist ein Tierarztbesuch.

(Ich erzähle euch das Folgende übrigens auf der untersten Sprosse auf Gildins Akzeptanzleiter sitzend...)


Was muss, das muss ... ja, was muss denn wirklich?


Viel, von dem wir denken oder eingeredet bekommen, dass es muss, muss in Wirklichkeit nicht.


Ich habe in Zusammenhang mit den Einschränkungen durch die Covid19-Regelungen bei einer Tierarztpraxis in ähnlicher Form Richtlinien gelesen, die ganz wunderbar auf unsere frisch eingezogenen oder mit großen Themenrucksäcken beladenen Tierschutznasen zutreffen.


Geht zum Tierarzt wenn…

- etwas rauskommt, das unbedingt drin sein sollte

- etwas drin ist, das unbedingt draußen hätte bleiben sollen

- sich etwas bewegt, dass sich auf keinen Fall bewegen sollte

- sich etwas nicht bewegt, das sich aber unbedingt bewegen sollte

- unvertretbar lang absolut nichts reingeht

- ungewöhnlich lang absolut nichts rauskommt

- etwas offen ist, das auf alle Fälle zu sein sollte

- etwas zu ist, das definitiv offen sein sollte

- etwas da ist, was nicht hingehört

- etwas fehlt, das unbedingt da sein sollte

- etwas eine Farbe hat oder Geräusche macht, die so wirklich nicht gehören


Abgesehen davon erspart eurem frisch angekommenen oder Angstrucksack-bepackten, vielleicht sogar wie Gildin absolut nicht anfassbaren Hund den Tierarztbesuch, bis es gut vorbereitet und dadurch wesentlich stressärmer möglich ist.


Wie das geht, findet ihr in diesem Silberfunken.


Mit Gildin war es leider nicht möglich, weil sich zumindest ein Punkt oben erfüllte:

etwas drin, was definitiv nicht hinein gehört… .

Weil natürlich eine normale Maulkontrolle nicht möglich ist, habe ich es immer genutzt, wenn er hingebungsvoll seinen Frischkäse genascht, sich geputzt oder gehechelt hat, um unauffällig in sein Mäulchen zu linsen. Das zeigte sich als ein einziger, viele Zahnstummel beherbergender Eiterherd, und zusätzlich fand sich am Zahnfleisch etwas Unförmiges, das dort definitiv nicht hingehörte.


Den Hund, egal wie klein und alt, niederzuringen, in eine Box zu stopfen, um beim Tierarzt mit Unterstützung in Runde 2 des Ringkampfes zu gehen, ist trotzdem KEINE Option.

Ich fackel ja auch nicht mein Haus ab, weil da Staubflusen unterm Sofa sind.


Was wir alleine nicht schaffen…


Das Ziel ist klar: Gildins Zustand muss behandelt werden.

Das Problem ist aber genauso klar: ein unvorbereiteter Tierarztbesuch wäre das nächste Trauma, vielleicht das eine, das er dann nicht mehr schafft.


In Fällen, in denen es um einen vielleicht sogar traumatisierten, nicht anfassbaren, angstbeladenen Hund geht, ist medikamentöse Unterstützung situativ eine enorme Hilfe.


Nicht anfassbar wird oft darauf reduziert, dass der Hund – wie Gildin – sich mit seinen Zähnen zur Wehr setzen würde. Nicht anfassbar sind aber in Wahrheit auch Hunde, die bei Berührungsversuchen einfrieren – ihre Not ist die Selbe wie die des um sich beißenden Artgenossen, der durch Überschreiten ihrer Grenze entstehende Schaden der gleiche! Sie zeigen es nur anders. Was bei bei zu häufiger Zwangsberührung und Missachtung ihrer Signale nicht so bleiben muss…


Medikamenteneinsatz ist keine generelle Trainingsstrategie, sie fällt hier unter Nothilfe – und sollte AUSSCHLIESSLICH unter Absprache mit einem/r darin wirklich bewanderten Tierarzt_ärztin erfolgen. Selbstexperimente mit Dr.Google-Beratung und Hörensagen-Erfahrungen sind ein Hazardspiel und absolutes No-go!


Für Gildin suchte ich mir Unterstützung einer in diesem Bereich sehr kompetenten Tierärztin, da unsere Haus- und Hof-Tierärztin selbst das nicht als ihr Fachgebiet betrachtet, und wir zogen auch den Rat eines Anästhesisten hinzu, da klar war, dass Gildins Tierarztbesuch auf dem OP-Tisch enden würde.

Der Einsatz von Sedativa sollte niemals ohne umfassende Beratung erfolgen – manche können

zu unerwarteten Reaktionen wie Aggressionsausbrüchen führen, einige bei nicht ganz exakter Dosierung zu physischer Lähmung bei vollem Bewusstsein (man stelle sich diesen Alptraum vor!), zu Kreislaufversagen, Versagen der Wärmeregulierung, Organschäden ect.!


Schadensbegrenzung...


Gänzlich konnte ich Gildin das Erleben des Transportes und des Eintreffens in der Klinik nicht ersparen, und wir werden wohl einige Zeit mit Wiedergutmachung und Reparatur verbringen.

Dennoch ist es gelungen, den Schaden in Grenzen zu halten – was auch an der Wahl unserer Tierärztin und der Kommunikation im Vorfeld liegt.


In unserer Klinik begegnet man Hunden aus dem Auslandstierschutz ohne Vorurteile.

„Kommt aus xy“ bedeutet hier nicht „Ist fix schwer krank“. Man verlässt sich darauf, dass ich meinen Hund kenne und in der Situation entsprechend mit ihm umgehen und entscheiden kann, was geht und was nicht, man achtet meinen Umgang mit dem Hund, mischt sich nicht ein und fährt nicht drüber. Sonst wären wir ganz schnell zur Tür raus.


Tierärzte_ärztinnen – außer jenen, die es sich als Spezialgebiet erkoren und sich entsprechend umfangreich fortgebildet haben – sind keine Trainer_innen und keine Verhaltensspezialist_innen. Diese Rolle wird ihnen oft zugesprochen, ist aber unerfüllbar. Im besten Falle wissen Veterinär_innen das selbst.


Besonderheiten und Problematiken müssen vor dem Termin ungeschönt angesprochen werden – die Vorbesprechung erfolgt ohne panischen Hund als Demonstrationsobjekt im Schlepptau. Ein fixer Termin verhindert Wartezeiten, die Besprechung im Vorfeld stellt sicher, dass genug Zeit für den Patienten da ist und gegebenenfalls ein OP und Anästhesist_in bereit stehen, und dass bei nur einem Praxisbesuch alles Notwendige erledigt werden kann.


Gildin ist jetzt von Eiterherden und Wucherungen befreit, und wir gehen eben ein Stück des Weges neu, dafür schmerzfrei und ohne das Risiko irreparabler Schäden oder nicht mehr einzudämmender Erkrankungen.


Es geht auch anders, wenn‘s geht...


Die notgedrungen absolvierte „Generalsanierung“ lässt uns jetzt Zeit, auf den nächsten Tierarztbesuch hin zu arbeiten. Wie stellt man das an?

Je mehr ein Lebewesen selbst mit entscheiden kann, umso weniger beängstigend stellen sich Situationen dar. Dies gilt für Pflegemaßnahmen, genauso wie für Kontrollen und eben auch Tierarztbesuche.


Nicht nur den Gildins dieser Welt sollten wir diese Möglichkeit einräumen. Jeder Hund verdient es, ein klares Kommunikationsmittel für „Ja“ und „Nein“ in der Pfote zu haben, mit dem er uns seine Bereitschaft zu Manipulationen an seinem Körper mitteilen kann.


Dies gelingt über den Aufbau eines Kooperationssignals.

Hund lernt dabei kleinschrittig, mit der Einnahme einer gewissen Position seine Bereitschaft zu signalisieren, dass an ihm getan werden darf.

Das kann das Ablegen des Kopfes in der Hand oder auf einem Kissen sein, das Stehen, Sitzen oder Liegen auf einer bestimmten Unterlage.


Wie bei allen solchen Unterfangen sind zwei Dinge unverzichtbar:

- kleinschrittiger Aufbau, ohne den Hund zu etwas zu drängen

- Einhaltung unseres Teils der Abmachung, in diesem Fall, dass sofort jegliche Manipulation am Hund eingestellt wird, wenn er das Kooperationssignal unterbricht. IMMER.


Als Beispiel zeige ich euch an Amarie, wie wir die Krallenpflege neu etabliert haben, nachdem sie ein Thema war.


Sie lernte zuerst, sich auf einem bestimmten Polster abzulegen.

Allein das wurde hochwertig belohnt, die Liegedauer so ausgebaut.

Ich begann mit ihr angenehmen Berührungen – Öhrchen kraulen, Rücken ausstreichen.

Immer nur so lange, bis sie sich vom Polster erhob – Bleiben wurde immer belohnt, aber nie forciert!


Binnen kürzester Zeit war ihr klar, dass SIE entscheiden konnte, ob und wie lange ich weitermache.

Dann erst begann das Herantasten an die Pfoten – abstreichen, Zehen massieren…

Als Auftakt kam immer zuerst meine Hand unter die Pfote mit der Frage „Darf ich?“

Blieb sie liegen, machte ich weiter. Stand sie auf oder rutschte vom Polster, war sofort STOP.

Auf ihre Unterbrechung folgte stets eine Pause, bis sie sich wieder legte.

Ich frage meine Hunde gerne, ob sie weiter machen wollen, und akzeptiere JEDE Antwort.

Umso höher ist die Kooperationsbereitschaft.



Nach und nach konzentrierte ich mich dann mehr auf die Krallen, stellte den Krallenschleifer daneben, schaltete ihn ein und aus – der Weg zur ersten perfekt manikürten Kralle war dann nicht mehr weit.


Auch heute frage ich, ob sie auf den Polster möchte, ich frage vor jeder Kralle und belohne nach jeder. Die Tage, an denen wir nicht mit allen auf einen Sitz durchkommen, sind ganz selten geworden. Ich muss sie dafür nicht in die Situation bringen, sich zu wehren oder notgedrungen zu fügen und unsere Beziehung für gepflegte Krallen ruinieren.

Diese Technik des Kooperationssignals wird übrigens mittlerweile höchst erfolgreich sogar bei Hyänen, Alligatoren, Bären u.Ä. in Zoos eingesetzt


Mein abschließender Tipp ist mir ein echtes Anliegen:

Kein Artikel, kein Buch kann die Anleitung durch eine gute Trainerperson vor Ort ersetzen, gerade bei sensiblen Themen wie diesem nicht!

Alternativ kann ich euch wärmstens empfehlen, euch zu diesem Thema mal ein gutes Seminar, einen Kurs oder auch Webinar zu gönnen, um euch dieses unglaublich wertvolle Werkzeug in eure Kiste zu holen.

















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